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Schichtenwechsel

Auszüge aus der Eröffnungsrede zur Vernissage von Dr. Wiebke Steinmetz

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Die bereits erwähnten aktuellen, überwiegend kleinformatigen Arbeiten repräsentieren ein neues Stadium des künstlerischen Schaffens von Pirjo Niiranen. In Schichtenwechsel steckt ja auch das Wort „Wechsel“ und wer die Arbeiten aus der Vergangenheit kennt, wird sofort den Wechsel erkennen.

Die relativ kleinen Arbeiten werden weitgehend vom experimentellen Zufall bestimmt. Hier lässt Pirjo Niiranen die Farbe laufen, bewegt den Bildträger, presst die Farbe zusammen und trifft letztlich durch die Auswahl des Ausschnittes gestalterische Entscheidungen.
Schichtenwechsel ist ein Begriff aus der Steinkunde, der den Wechsel von verschiedenfarbigen Steinschichten benennt. So etwas könnte gemeint sein, denn die zahlreichen kleinformatigen Arbeiten dieser Ausstellung erinnern durchaus an Schichten in Gestein, in Sand oder in Landschaften. Es könnte sich um Gewachsenes, Abgelagertes, um Sedimente, Einschlüsse und Organisches handeln. Sind es Strukturen des Gehirns oder etwa Mikroskop-Bilder? Und sind letztlich nicht auch in einigen Bildern Strukturen zu erkennen, die an Figürliches erinnern?

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Nicht alles, was künstlerisch geschaffen wird, kann benannt, etikettiert und damit in eine Schublade sortiert werden. Pirjo Niiranen verweigert sich unserem Zuordnungsdrang, unserem Wunsch, die Welt zu bestimmen und zu benennen. Der Betrachter und die Betrachterin sind aufgefordert, die eigene Fantasie spielen zu lassen, autonom das Gesehene zu deuten, sich der Kunst auszusetzen sowie Assoziationen und Gefühle zu erleben, vielleicht so, wie es auch beim Hören von Musik zugelassen wird.

Mit der Moderne setzte die Befreiung der Farbe von der Form ein, dann die Befreiung der Malerei von der gegenständlichen Darstellung, ja und letztlich sogar die Befreiung der Malerei aus dem Rahmen. Vieles kann heutzutage Kunst sein. Moderne Malerei beruht nun grundlegend auf den Gesetzen von Farbe und Ausdruck. Moderne Kunst versteht sich zudem als Hort der Freiheit und so besitzen Künstlerinnen und Künstler auch die Freiheit des Ausdrucks, den sie in den verschiedensten Techniken entwickeln.
Dadurch unterliegen auch die künstlerischen Techniken einem gewaltigen Wandel: Nicht mehr das Auftragen der Farbe mit dem Pinsel ist der unmittelbare Akt, den der Künstler oder die Künstlerin ausführt. Mit Reiben, Kratzen, Schmieren, Tröpfeln, Klecksen, Verlaufen lassen finden Techniken Einsatz, die den gesteuerten Ausdruck des Pinsels außer Kraft setzen und zum experimentellen Umgang mit Farbe führen, der auch im Werk von Pirjo Niiranen deutlich erkennbar ist. Und gerade diese neuen Techniken lassen die physische Präsenz der Malerin in besonderem Maß spürbar werden.

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Dr. Wiebke Steinmetz
Kunsthistorikerin